kaliber .38 - krimis im internet

 

Krimi-(Vor-)Auslese 08/2020

 

American Spy Tja, mit den Cover- und sonstigen Blurbs ist das so eine Sache: Ich lese gern Politthriller, aber Texte, die mit warmen Worten von Barack Obama beworben werden, lege ich eher wieder weg. So wäre mir fast American Spy von Lauren Wilkinson durch die Finger geflutscht (Tropen Verlag, dt. von Jenny Merling u.v.a.), ein Spionage-Roman mit einer besonderen Protagonistin und einem außergewöhnlichem Schauplatz. Wir drehen den Tacho zurück aufs Jahr 1986: Marie Mitchell arbeitet als Geheimagentin beim FBI, als einzige schwarze Frau in einem Club weißer Männer. Sie ist extrem gut in ihrem Job, muss sich aber mit drögen Routine-Arbeiten am Schreibtisch begnügen. Doch dann wird ihr die Teilnahme an einer Feldoperation angeboten: Sie soll den charismatischen sozialistischen Präsidenten von Burkina Faso ausspionieren, ihn verführen und das Terrain für eine geheime US-Intervention bereiten, die eben diesen Präsidenten beseitigen soll. Doch die Aktion wird Maries Sicht auf alles verändern, woran die junge US-Agentin je geglaubt hat - und sie selbst direkt ins Fadenkreuz des Geheimdienstes führen. "Lauren Wilkinson erzählt den Spionageroman neu", so verspricht der Tropen-Verlag, "mutig, zeitgemäß und hochspannend. Dieses Gesicht des Kalten Krieges kennen Sie noch nicht.". Siehste - das ist als Statement doch deutlich robuster als freundliche Wort prominenter Ex-Politiker.

 

Teufelszeug Die Kurzvita zur Autorin Katja Ivar klingt interessant: Geboren in Moskau, Teenagerjahre in Dallas, Texas, und Studium der Linguistik und Zeitgeschichte an der Sorbonne. Heute, lesen wir weiter, lebt Katja Ivar in Paris - und schreibt Krimis um eine eigenwillige Kommissarin, die in den frühen 50er Jahren in Finnland spielen. Teufelszeug lautet der Titel des ersten Bandes (btb Verlag, aus dem Englischen von Cornelia Röser). Kommissarin Helle Mauser (in der Originalversion Hella Mauzer), die erste weibliche Ermittlerin der Mordkommission Helsinki, wird in die klaustrophobische Einöde Lapplands zwangsversetzt. Es ist der Höhepunkt des Kalten Krieges und Finnland mit seiner Grenze zur Sowjetunion ein schneebedecktes Pulverfass. Helle sitzt in einer winzigen Polizeistation und fühlt sich einsam, aber sie hat einen messerscharfen Verstand, ist ehrgeizig und will sich beweisen. Die Gelegenheit ergibt sich, als sich die Polizistin mit einem harmlosen Vermisstenfall beschäftigt, den ihr Vorgesetzter nicht einmal für ein Verbrechen hält. Doch dann wird die Leiche eines sowjetischen Doktors entdeckt und der Fall bekommt eine ganz neue politische Dimension. Mit einer ungewöhnliche Heldin in einem ungewöhnlichen Setting könnte Katja Ivars "Teufelszeug" zu einem netten Lese-Erlebnis werden: "Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier", heisst es mit William Shakespeare im Motto. Jetzt wollen wir aber auch wissen, was die hier machen - und lesen weiter im "Teufelszeug".

 

Jakobs Schweigen Bremen. Pffff. Simone Buchholz hat sich mal dran versucht, in ihrem "Mexikoring". Jürgen Alberts natürlich, aber das ist auch schon lange her. Sonst - viel Leere. In Kriminalliteratur wie im Fussball. Jakobs Schweigen heisst ein Kriminalroman der Radiojournalistin Anja Goerz (dtv). Der Roman spielt in Bremen, übernimmt aber das Grundgerüst eines Falls, der sich im Jahre 2014 in Berlin zugetragen hat: Ein angesehener Bremer Rechtsanwalt [Berliner Steuerberater] wird in seiner Kanzlei mit vier [zehn] Schüssen getötet. Dringend tatverdächtig ist sein 17-[16-]jähriger Sohn, der sich jedoch in Schweigen hüllt. Für seine Großmutter bricht die Welt zusammen: Sie hat nicht nur ihren Sohn verloren - ihr Enkel soll auch noch der Mörder sein? "Jakobs Schweigen" verspricht psychologische Spannung und kann prima funktionieren, wenn es der Autorin gelingt, die Tragödie hinter der Tragödie zu entfalten. Es gibt deutlich einfachere Projekte, aber auf den Versuch lassen wir uns ein...

 

Manhattan Fire Nach so viel psychologischem Tiefgang vielleicht etwas Action? Manhattan Fire heisst ein neuer Thriller des US-Autors Robert Pobi (Aufbau, dt. von Wolfgang Thon). Hauptfigur des Buches - und das macht die Sache interessant - ist Lucas Page, ehemaliger FBI-Mann, jetzt Professor für Physik und genialer Ballistik-Experte. Der Alptraum: Irgendwo hinter einem der unzähligen Fenster in New York City (OT: City of Windows) lauert ein Sniper. Der Schuss - eigentlich unmöglich: Mitten in einem Blizzard tötet er einen Mann im dichten Verkehr in einem fahrenden SUV. Professor Page weigert sich zunächst zu helfen - bis er erfährt, dass der Tote sein ehemaliger FBI-Partner ist. Mit wissenschaftlichen Methoden kann er tatsächlich den Standort des Mörders ermitteln, und die Logik verrät ihm, dass der Schütze so zuvor schon einmal getötet hat. Und werde es wieder tun wird... Wie gesagt - mit den Blurbs ist das so eine Sache, aber immhin haben Lee Child oder auch Thomas Perry lobende Worte für Pobi gefunden. Wir erwarten kurzweilige Thriller-Kost à la Jeffery Deaver und, vielleicht, einen Blick aus einem anderen Winkel.

 

Viele weitere Anregungen finden Sie in den Neuerscheinungen August 2020.

 

© j.c.schmidt, 2020

 

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