kaliber .38 - krimis im internet

 

 

Ein mordswichtiges Buch

 

Von einer, die auszog Seit dem Tod ihrer Mutter lebt Jill zurückgezogen in Los Angeles. Sie arbeitet als Aushilfe in der Buchhandlung Bitter Muse, wo sie für 50 Dollar am Tag antiquarische Bücher verkauft. Eines Tages erscheint ein verwirrter Zwerg, der an einen Straßenköter erinnert, und bietet Jill ein Buch an - eine makellose Erstausgabe von Jack Londons "The Cruise of the Snark" aus dem Jahre 1911, versehen mit einer handschriftlichen Zueignung: "Für Francis, dieses Buch hat mich fast umgebracht. Hoffe, es tut dasselbe mit dir. Alles Liebe, Captain London."

Kein Zweifel, die Unterschrift ist echt. Jill drückt dem Zwerg fünfundzwanzig Mäuse in die Hand, und der Winzling verschwindet eilig. Kaum hat Jill die exquisite Werk an den Händler Timmy Harris aus Venice Beach weiterverkauft und reibt sich noch die Hände ob das satten Extraprofits, da öffnet sich die Hintertür des Bitter Muse, und der seltsame Zwerg steht in schlottrigen Unterhosen wieder vor ihr: Es habe einen bedauerlichen Irrtum gegeben, aber er brauche das Buch unbedingt zurück.

Der Zwerg ist nicht allein. Ein Hühne, ungefähr drei Mal so groß, verleiht der Forderung nach Rückgabe des Buches eine unangenehm prickelnde Eindeutigkeit. "Joke Man" nennt sich der Kerl, aber sein Sinn für Humor ist begrenzt. Er gibt Jill genau einen Tag Zeit, um das Buch wiederzubesorgen. Auf einer klapprigen Honda jagt Jill dem Buch hinterher und gerät immer tiefer in einen Strudel aus schrillen Charakteren, burlesker Szenen und - Gewalt.

Obgleich die Geschichte zwischendurch im Lalala zu versanden droht - der Widerspenstigen Lähmung, gewissermaßen - ist Jen Banbury mit "Von einer, die auszog" ein rotzfreches Debut gelungen. Von Rowohlt mit einem putzigen Girlie-Cover versehen, ist der Roman mehr als nur ein Buch für aufmüpfige Mädels: Die Figuren sind in Sprache und Aktion genau und quietschlebendig. Der Roman ist witzig, weitenteils spannend, und hat doch einen behutsam eingeflochtenen tragischen Hintergrund: Jills Hetzjagd nach dem Jack-London-Werk führt sie tiefer in ihre eigene Vegangenheit, als ihr lieb ist.

 

© j.c.schmidt, 2000

 

Jen Banbury: Von einer, die auszog. (Like a Hole in the Head, 1998). Roman. Aus dem Amerikanischen von Kim Schwaner. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2000 (rowohlt paperback), 320 S., 24.00 DM

 

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